Desinfektionsmittel

Desinfektionsmittel-Wiki

Die Öffentlichkeit diskutiert über die Sinnhaftigkeit der Desinfektionsmittel ähnlich kontrovers wie über die Verschreibung von Antibiotika, denn die Resistenzbildung der Bakterien ist auch in diesem Sektor deutlich nachzuweisen. Was sind Desinfektionsmittel genau? Was ist ein Bakterizid, was ein Viruzid? Wie unterscheiden sie sich und auf welche Weise sorgen Desinfektionsmittel für keimfreie Oberflächen und Hände oder sterile Arbeitsgeräte?

Was ist ein Desinfektionsmittel genau?

Die Gesamtheit der Desinfektionsmittel kann als Substanz bezeichnet werden, die durch ihre chemischen Eigenschaften mikrobizid wirken. Das bedeutet, sie inaktivieren bzw. töten Mikroorganismen ab, die Krankheiten und/oder Infektionen hervorrufen. Im Gegensatz zur Sterilisation werden nicht sämtliche mikrobiologischen Organismen eliminiert, sondern eine bestimmte Variante von Keimen reduziert. Der Sinn dahinter sind etliche Bakterienstämme, die für den Menschen lebensnotwendig bzw. nicht pathogen (also nicht krankheitserregend) sind. Die Infektionsgefahr von Mikroorganismen ist an eine spezifische Populationsdichte gebunden. Erst wenn eine Untergrenze von Krankheitserregern erreicht ist, wird es für den Menschen gefährlich. Desinfektionsmittel sollen folgende Anforderungen erfüllen:

  • Sie sollen die Anzahl der Keime schnell und umfassend reduzieren.

  • Desinfektionsmittel müssen eine ausreichende Eindringtiefe erreichen.

  • Die Witterungsbeständigkeit gegenüber organischem Material muss gegeben sein.

  • Desinfektionsmittel sollten nur gering systemisch toxisch (nicht auf den gesamten Organismus) wirken,

  • Die Verträglichkeit gegenüber Haut, Schleimhaut und offenen Wunden muss gewährleistet sein.

  • Das Desinfektionsmittel muss lange haltbar sein und gleichzeitig biologisch abbaubar sein.

  • Letztendlich sollte die Geruchsbelastung im medizinischen Bereich gering gehalten werden.

Desinfektionsmittel töten spezifisch diejenigen Mikroorganismen ab, gegen die sie eingesetzt werden. Dabei dürfen sie keine Wirkstoffe enthalten, die das umgebende organische Material schädigen oder verändern. Wird bei einer Operation ein Desinfektionsmittel in die Wunde gegeben, darf es weder die intakte noch die offene Haut oder das darunterliegende Gewebe beeinträchtigen.

Wie wirken Desinfektionsmittel

Desinfektionsmittel wirken denaturierend, d.h. sie verändern die eiweißhaltigen Strukturen der Mikroorganismen und zerstören sie somit. Einige Desinfektionsmittel schädigen zusätzlich die Lipidmembranen (z. B. die Hülle der Viren) oder die Nukleinsäuren der Keime. Neben dem spezifischen Wirkstoff verfügen Desinfektionsmittel über sogenannte Hilfsstoffe, die dafür sorgen, dass der Wirkstoff an den Wirkungsort gelangen kann.

Welche Arten von Desinfektionsmittel gibt es?

Neben den Inhaltsstoffen und Wirkungsweisen haben sich verschiedene Methoden durchgesetzt, wie Desinfektionsmittel zusammengefasst werden. Zum einen kann das Einsatzgebiet des Desinfektionsmittels als Gruppierungsmerkmal verwendet werden, zum anderen der Mikroorganismus, gegen den es eingesetzt werden soll.

Einteilung nach Einsatzgebiet

Die Liste der Einsatzmöglichkeiten für Desinfektionsmittel ist lang. Im klinischen Alltag werden hauptsächlich vier verschiedene Bereiche unterschieden:

Hautdesinfektionsmittel: Bei der Hautdesinfektion sollen sowohl ständig vorhandene Keime wie auch Anflugkeime behandelt werden. Die sogenannten residenten und transienten Keime stellen bei intakter Haut kein Problem dar. Gelangen sie bei invasiven Maßnahmen in den Körper des Patienten, können sie sich ohne vorherige Behandlung mit Desinfektionsmittel dagegen nahezu ungehindert ausbreiten. Die Einwirkzeit der Desinfektionsmittel hängt sowohl von dem verwendeten Wirkstoff wie auch von der Beschaffenheit der Haut ab. Desinfektionsmittel, die für den direkten Hautkontakt gedacht sind, enthalten meist Alkohole wie Ethanol oder Propanol.

Oberflächendesinfektionsmittel: Die Oberflächendesinfektion ist ein fester Bestandteil im Desinfektionsplan und wird sowohl routinemäßig wie auch bei besonderen Vorkommnissen durchgeführt. Die Böden in Patientenzimmern werden nach Entlassung des Patienten beispielsweise routinemäßig desinfiziert. Kommt selbiger Boden mit organischem Material (Kot, Blut, Erbrochenes, etc.) in Berührung, wird eine außerplanmäßige Flächendesinfektion durchgeführt. Hierfür eignen sich insbesondere Desinfektionsmittel, die Aldehyde, Chloramine, kationenaktive Substanzen oder Perverbindungen beinhalten.

Instrumentendesinfektionsmittel: Bei der Instrumentendesinfektion ist es wichtig, dass das Desinfektionsmittel auch kleinste Vertiefungen und Bohrungen erreicht. Es sollte folglich gut wasserlöslich sein und schnell trocknen bzw. über eine kurze Einwirkungszeit verfügen. In der Regel werden hierfür ebenfalls Desinfektionsmittel mit kationenaktiven Substanzen verwendet oder es werden diverse Halogene eingesetzt.

Trinkwasserdesinfektionsmittel: Die Trinkwasserdesinfektion ist verständlicherweise ein bedeutender Faktor in Kliniken und Pflegeheimen. Nach der Entkeimung dürfen weder pathogene Keime in dem Trinkwasser verbleiben noch irgendwelche Rückstände, die durch das Desinfektionsmittel verursacht wurden.

Einteilung nach Zielorganismen

Die Namensgebung der Desinfektionsmittel bei der Einteilung nach Zielorganismen gibt gleichzeitig Auskunft darüber, gegen welche Mikroorganismen sie wirken sollen. Die unterschiedlichen Desinfektionsmittel werden im Hygienebereich in folgende Rubriken unterteilt:

    • Ein sehr geläufiges Bakterizid ist das Antibiotikum. Durch den Einsatz eines Bakterizid werden Bakterien derart geschädigt, dass der Zelltod ausgelöst wird.

    • Das Viruzid ist ein Desinfektionsmittel gegen Viren. Größtenteils werden die Nukleinsäuren der Viren irreversibel geschädigt, wodurch der Mikroorganismus deaktiviert bzw. komplett abgetötet wird.

    • Fungizid bedeutet „pilztötend“. In der medikamentösen Behandlung werden sie auch als Antimykotika (Mykose ist der Pilzbefall) bezeichnet. Fungizide Desinfektionsmittel wirken teilweise lediglich gegen vorhandene Pilzkulturen (z. B. Alkohole), sind gegen die abgelegten Sporen jedoch machtlos.

    • Dieses Defizit wird von einem Sporizid aufgehoben. Chlordioxid ist beispielsweise ein schnell wirkendes Sporizid und wird bei der Behandlung von Oberflächen, Instrumenten und Trinkwasser verwendet. Um die Haut oder Schleimhaut von Sporen zu befreien, weicht man auf das besser verträgliche Wasserstoffperoxid aus.

    • Als Leuvurozid wird ein Fungizid bezeichnet, das auch gegen Hefepilze erfolgreich eingesetzt werden kann.

    • Virostatische und fungistatische Desinfektionsmittel: hemmen die Vermehrung von Viren bzw. Bakterien, töten sie aber nicht ab.

 

Die meisten Desinfektionsmittel wirken multitoxisch. Das heißt, sie können gegen mehrere Arten von Krankheitserregern eingesetzt werden. Peressigsäure, Natriumhypochlorid, Formaldehyd oder Ethylenoxidin erzielen beispielsweise effiziente Ergebnisse als Bakterizid, Sporizid, Fungizid und Viruzid. Welches Desinfektionsmittel bei gleicher Wirksamkeit ausgewählt wird, entscheidet das Einsatzgebiet, in dem der Wirkstoff eingebracht werden soll.

Mögliche Gefahren beim Einsatz der Desinfektionsmittel

"Viel hilft viel" trifft beim Desinfektionsmittel leider nicht zu, da die unsachgemäße Anwendung durchaus zu Resistenzen der zu bekämpfenden Mikroorganismen führen kann. Im Hygiene- oder Desinfektionsplan sind die Maßnahmen exakt aufgelistet; wann beispielsweise das Bakterizid zum Einsatz kommen darf. Wenn lediglich mit einer fungiziden Verunreinigung zu rechnen ist, muss kein Bakterizid verwendet werden, dafür gibt es schließlich das Viruzid. Seit geraumer Zeit wird auch das übermäßige Waschen der Hände vor der Desinfektion als kritisch angesehen, da durch die Seife der natürliche Schutzfilm der Haut reduziert wird und das Desinfektionsmittel in überschwänglicher Anwendung zu Irritationen und Beschwerden führen kann. Ein fachkundiger Umgang mit dem Desinfektionsmittel auf der Haut dagegen schädigt die Haut nicht nachhaltig. Im Hygieneprogramm von Kliniken tritt nach erfolgtem Eingriff die Pflege mit Cremes in den Vordergrund, um die Haut zusätzlich zu entlasten und bei der Regeneration zu unterstützen. Als letzte Problematik unsachgemäßen Umgangs ist die Gefährdung der Umwelt und des Personals zu nennen. Einige Desinfektionsmittel entwickeln insbesondere in Kombination mit anderen Chemikalien unangenehm riechende und gesundheitsgefährliche Gase. Kommt ein biologisch nicht abbaubares Desinfektionsmittel in den Abwasserkreislauf, kann es das Zusammenspiel von Bakterien stören und somit die Reinigung des Abwassers unterbinden.

Ricky Lustenberger